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26. Mai 2025Ingrid Diener

Ottolier: So geht Genossenschaft!

Im Ottolier wird Gemeinschaft sichtbar: Der ehemalige Ölheizungskeller der Siedlung Ottostrasse ist heute ein offener Raum für kreative Ideen – entstanden durch das Engagement der Bewohner:innen.

Mit viel Einsatz ist es den Bewohner:innen der Siedlung Ottostrasse gelungen, einen ehemaligen Ölheizungskeller in einen lebendigen Mehrzweckraum zu verwandeln. Die Idee zur Umnutzung kam direkt aus der Siedlung: Der Raum wurde frei, als 2023 die Gasheizung abgebaut und der Öltank der alten Ölheizung zurückgebaut wurde. Drei Bewohnende stellten darauf bei der ABZ-Geschäftsstelle einen Antrag, um den Keller gemeinschaftlich zu nutzen. «Ich wohne seit vielen Jahren in der Siedlung Ottostrasse und wusste, dass das Bedürfnis nach einem Raum für Kreatives da ist», sagt Felix Hanselmann, der sich von Anfang an für das Projekt engagiert hat. «Solche Räume sind eine gute Möglichkeit für die Gemeinschaft. Mir war wichtig, dass der Raum nicht nur von einem kleinen ausgewählten Kreis genutzt werden kann, sondern allen in der Siedlung zugutekommt.»

Die Bewohner:innen haben im April das Ottolier für den Veloputz- und Flicktag genutzt.

«Die Siedlung Ottostrasse zeigt, wie viel möglich ist, wenn Bewohner:innen gemeinsam anpacken und ihre Ideen verwirklichen.»

Patrik Sberze, Fachspezialist Siedlungs- und Quartierarbeit bei der ABZ

Engagement trifft auf Offenheit

Als die Bewohner:innen Felix Hanselmann, Andreas Wyss und Sibylle Urech mit der Idee zur Umnutzung auf die ABZ-Geschäftsstelle zugingen, seien sie von ihrer Offenheit beeindruckt gewesen: «Das ist nicht selbstverständlich. Die Geschäftsstelle unterstützte beim Überführen von der Idee in die genossenschaftliche Struktur», so Felix Hanselmann. Patrik Sberze, Fachspezialist Siedlungs- und Quartierarbeit bei der ABZ erklärt die Rahmenbedingungen für eine Umnutzung: «Damit die Umnutzung eines Raums funktioniert, braucht es klare Absprachen, eine Nutzungsvereinbarung und eine Ansprechperson, die als Bindeglied zwischen Bewohner:innen und Geschäftsstelle dient.» Als diese Bedingungen geklärt gewesen seien, sei der Umnutzung nichts mehr im Weg gestanden. Patrik Sberze ergänzt: «Die Siedlung Ottostrasse ist allgemein sehr lebendig und zeigt viel gemeinschaftliches Engagement.»

Natürlich gab es auf dem Weg von der Idee zur Umsetzung auch Herausforderungen. Besonders die Frage, wer die Haftung übernehme, hätte für Spannungen innerhalb der Siedlung gesorgt. «Man war sich nicht immer einig, und versicherungsrechtlich war es kompliziert», sagt Felix Hanselmann. Gemäss dem Bewohner der Siedlung Ottostrasse sei die Lösung schliesslich eine Haftpflichtversicherung über die ABZ gewesen, wie sie auch für andere Gemeinschaftsräume üblich sei. Die Diskussionen innerhalb der Siedlung seien anspruchsvoll gewesen, aber genau das sei für ihn der Kern des genossenschaftlichen Wohnens: «Obwohl alle unterschiedliche Interessen haben, finden wir einen gemeinsamen Nenner, der es ermöglicht, ein solches Projekt umzusetzen. Das hat für mich etwas Basisdemokratisches, etwas Urschweizerisches.»

Selbstorganisiert und vielseitig genutzt

Heute wird der Mehrzweckraum, liebevoll Ottolier genannt, vielseitig genutzt: zum Töpfern, Nähen, Veloflicken und Basteln. Die Organisation laufe bewusst niederschwellig, so Felix Hanselmann: «Man kann ganz einfach in den Keller runtergehen und sich in die Liste einschreiben. Über verschiedene Whatsapp-Gruppen können sich Interessierte austauschen und Termine absprechen.» Wer den Raum nutzen möchte, unterschreibt die Nutzungsvereinbarung und erhält dann den Zugangscode. «Wir hoffen, dass der Raum organisch wächst und verschiedene Gruppen ihn je nach Interesse nutzen», sagt Felix Hanselmann. Er selbst baut gerade zusammen mit seinem Sohn an einem Hochbett. «Ich war als Jugendlicher viel in der Werkstatt meines Vaters und geniesse es nun, mit meinem Sohn kreativ zu sein.»

«Wir hoffen, dass der Raum organisch wächst und verschiedene Gruppen ihn je nach Interesse nutzen.»

Felix Hanselmann, ABZ-Bewohner Siedlung Ottostrasse

Die Rückmeldungen aus der Siedlung sind überwiegend positiv. «Wenn es Kritik gibt, dann eher, weil nicht immer klar ist, wer zuständig ist oder wie man an den Schlüssel kommt», so Felix Hanselmann. Lärmklagen habe es bisher keine gegeben. Dies bestätigt auch Patrik Sberze: «Die Nutzung funktioniert und ist selbstorganisiert.»

Ein Gewinn für alle

Auch die ABZ-Geschäftsstelle steht hinter dem Projekt. «Für uns ist das gelebte Mitwirkung und ein schönes Beispiel für den Genossenschaftsgedanken», sagt Patrik Sberze. Solche Räume würden das Leben in der Genossenschaft schöner machen und das gemeinschaftliche Zusammenleben fördern. «Die Siedlung Ottostrasse zeigt, wie viel möglich ist, wenn Bewohner:innen gemeinsam anpacken und ihre Ideen verwirklichen – und wie ein ehemaliger Ölheizungskeller neue Gemeinschaft ermöglichen kann.»

Fotografie
Tres Camenzind

Charlotte Jacober

Charlotte Jacober ist Co-Geschäftsführerin des Textbüros Konrad. Das Textbüro Konrad unterstützt die ABZ bei redaktionellen Arbeiten.

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