16. Juni 2023 Ingrid Diener

«Das Kollektiv ist besser als das Individuum»

ABZ-Vorstandsmitglied Andreas Scheu tritt nach neun Jahren altershalber von seinem Amt zurück. Ein Gespräch über die Arbeit im Vorstand, die Wohnungsnot und Zukunftsaussichten.

Sie waren neun Jahre ABZ-Vorstandsmitglied. Warum haben Sie damals den Schritt in dieses Amt gewagt?

Im Vorstand und an der Generalversammlung eskalierte damals ein Konflikt, der mich beunruhigte. Ich wollte eine bessere Diskussionskultur. Somit stellte ich mich als Kandidat zur Wahl. Mein Ziel war es, Brücken zu schlagen sowie Mitwirkung und Demokratie auszubauen.

Wie kam es, dass Sie fast ein Jahrzehnt im Vorstand waren?

Drei Jahre sind ungefähr nötig, bis man in die Funktion reinwächst. Dann habe ich die Arbeit im Vorstand sehr geschätzt. Wir haben eine gute Diskussionskultur. Man hört sich gegenseitig zu, nimmt das Gegenüber ernst. Und ich habe gemerkt: Das Kollektiv ist besser als das Individuum. Zudem war mir auch stets der Dialog mit den Mitgliedern und Bewohner:innen wichtig.

Andreas Scheu tritt nach neun Jahren im ABZ-Vorstand zurück. Er lebt in der Siedlung Sihlfeld, wo die Fotos entstanden sind.

Welche Themen beschäftigen Sie besonders?

Eine grosse Herausforderung ist die Wohnungsnot. Bürgerliche Parteien und der Hauseigentümerverband fördern eine Neidkultur gegenüber den Genossenschaften und behaupten, die falschen Leute lebten darin. Das wirkliche Problem sind aber die Spekulanten und damit die zu hohen Mieten. Es handelt sich also vielmehr um eine Mietzinsnot als um eine Wohnungsnot.

Was kann die ABZ tun?

Wir müssen den Boden der Spekulation entziehen. Das heisst, wir müssen selbst wieder Bauland kaufen. Nur so können wir unserem Auftrag aus den Statuten gerecht werden. Die Bodenpreise sind in den vergangenen Jahren jedoch massiv gestiegen – unter diesen Umständen sind günstige Mieten nicht umsetzbar. Die ABZ braucht aus meiner Sicht deshalb neue Konzepte zum Kauf von Bauland, die auch günstige Mieten ermöglichen.

«Die ABZ braucht aus meiner Sicht neue Konzepte zum Kauf von Bauland, die auch günstige Mieten ermöglichen.»

Andreas Scheu, zurückgetretenes ABZ-Vorstandsmitglied

Haben Sie eine Idee?

Ich könnte mir eine Art einkommensabhängigen Solidaritätsfonds für Mietsenkungen im Umlageverfahren vorstellen. Die Bewohnenden zahlen einen bestimmten Betrag in diesen Fonds und das Geld wird dann für eine Vergünstigung der Mieten eingesetzt. So können wir einerseits das teuer gewordene Bauland kaufen und andererseits die Mieten tief halten. Wichtig scheint mir, dass die Diskussion geführt wird.

Sie sind noch voller Tatendrang. Wieso treten Sie dennoch zurück?

Ich werde die Arbeit im Vorstand tatsächlich vermissen. Es ist jedoch Zeit, Jüngeren Platz zu machen. Ich bleibe ein für mehr soziale Gerechtigkeit engagierter Mensch.

Fotografie
Reto Schlatter

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Federer-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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