11. November 2021 Lena Tovar

Kleines Kippen, grosse Wirkung

Kippfenster können unerwünschte Auswirkungen auf die Energiebilanz von Gebäuden haben. Im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeitsziele steht für die ABZ fest: Bei Sanierungen und Neubauten werden keine Fenster mit Kippfunktion mehr verbaut.

Auf Gewohntes verzichtet man nur ungern. Das haben auch die Mieterinnen und Mieter der Siedlungen Hochstrasse und Kalkofen festgestellt, die seit der Sanierung ihrer Siedlungen in 2019 und 2020 auf Fenster mit Kippfunktion verzichten müssen. Auch in den Siedlungen Toblerstrasse, Entlisberg 2 und im Glattpark sucht man Kippfenster bereits vergebens. Und in Zukunft werden sie in der gesamten ABZ verschwunden sein: Bei Neubauten und Sanierungen mit Fensterersatz werden keine Kippfenster mehr verbaut.

«Es wird weiterhin möglich bleiben, die Fenster in allen Bauten vollständig zu öffnen.»

Isabelle Meister, Projektleiterin Bau bei der ABZ
In der Siedlung Hochstrasse wurde bei der Sanierung auf Kippfenster verzichtet.

Dauerlüften versus Stosslüften

Um das zu verstehen, muss man sich mit dem sperrigen Wort Lüftungseffizienz beschäftigen. Dahinter verbirgt sich, wie wirksam der Austausch von verbrauchter und frischer Luft erfolgt. Kippfenster schneiden dabei nicht gut ab: Sie benötigen für den Luftaustausch eines mittelgrossen Raumes bis zu zwei Stunden, während es beim Stosslüften mit vollständig geöffnetem Fenster nur weniger Minuten bedarf. Im Sommer ist dies unproblematisch, doch im Winter wird durch das Dauerlüften mit der Kippfunktion die Heizenergie buchstäblich zum Fenster hinausgeworfen. Die Wände kühlen aus und es benötigt mehr Energie, die Wohnung warm zu halten. Das schlägt sich nicht nur in einer schlechten Nachhaltigkeitsbilanz nieder, sondern vor allem in hohen Nebenkostenrechnungen für die Bewohnenden.

Hinzu kommt, dass die ABZ ihre Gebäude in den meisten Fällen auch energetisch saniert. Dies bedeutet unter anderem, dass die Gebäudehülle luftdichter gemacht wird, um die Wärmedämmung zu verbessern. So wird weniger Energie benötigt als zuvor. «Gekippte Fenster vermindern diesen Effekt allerdings stark», erklärt Isabelle Meister. «Deshalb ist es nicht zielführend, dass wir aufwendig energetisch sanieren, doch den Bewohnenden gar nicht bewusst ist, dass sie den grössten Hebel in Bezug auf den Energieverbrauch haben.»

Fast zu übersehen: Das Nachströmventil wird bei Sanierungen dezent am Fensterrahmen montiert, in diesem Fall oben links.

Kipplose Zukunft

Die ABZ ist mit diesem Entscheid nicht allein. Auch in anderen Wohnbaugenossenschaften wird über energetisch sinnvolle Lüftungskonzepte diskutiert, wie ein nicht repräsentatives Stimmungsbild im Netzwerk der ABZ zeigt. Eine Baugenossenschaft verzichtet bei Neubauten ebenfalls auf Kippfenster, eine andere verbaut sie nur noch in der Küche. Nur eine von fünf angefragten Baugenossenschaften montiert weiterhin Kippbeschläge, weist aber ausdrücklich auf die ökologischen und ökonomischen Folgen bei «falscher Anwendung» hin.

Damit das Raumklima trotz dichter Aussenhülle angenehm bleibt, setzt die ABZ bei Sanierungen auf eine so genannte Nachströmfunktion im Fenster. Über ein Ventil gelangt automatisch genauso viel Frischluft in die Wohnung, wie verbrauchte, feuchte Luft durch die Ventilatoren im Bad absaugt wird. So wird Luftzirkulation ermöglicht und gleichzeitig die Feuchtigkeit im Wohnraum reduziert, was Schimmelbildung vorbeugt. Die Nachströmer werden unauffällig am Fensterrahmen angebracht. Bei Neubauten wird die Luftumwälzung durch eine kontrollierte Wohnraumlüftung geregelt, sodass keine Nachtrömventile notwendig sind.

«Die Bewohnenden haben den grössten Hebel in Bezug auf den Energieverbrauch.»

Isabelle Meister, Projektleiterin Bau bei der ABZ

Damit möchte die ABZ ihren Bewohnenden die Umstellung in die kipplose Zukunft so angenehm wie möglich machen. «Unsere Mieterinnen und Mieter sollen sich keine Gedanken über richtiges Lüften machen müssen. Eine Minimalumwälzung der Luft muss auch ohne grosses Zutun sichergestellt sein», stellt Meister klar. Auch mit der Befürchtung, die Fenster irgendwann gar nicht mehr öffnen zu können, räumt sie auf: «Es wird weiterhin möglich bleiben, die Fenster in allen Bauten vollständig zu öffnen». Denn in puncto Lüftungseffizienz ist dies nach wie vor das beste Mittel für ein behagliches Raumklima: Drei bis fünf Mal am Tag die Fenster weit öffnen und stosslüften.

Lena Tovar

Mag Menschen, Magazine und Sommertage in der Badi. Reist am liebsten mit dem Zufall. Ist für die ABZ als Freelancerin unterwegs.

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