5. September 2023 Ingrid Diener

Schnell gekauft, schnell entsorgt

Mit drei Klicks ist es bestellt, das Kissen für 19.90 Franken. Tolles Schnäppchen, aber schlecht für die Umwelt. Wie günstige Möbel und Einrichtungsgegenstände unsere Ressourcen belasten und wie wir unser Zuhause nachhaltiger einrichten können.

Ich habe sie zuhause und Sie bestimmt auch: hübsche und vor allem günstige Möbel und Dekorationsartikel, zum Beispiel Kissen, Decken, Vasen, Teppiche, Regale – zählen Sie mal! Dabei handelt es sich um sogenanntes Fast Interior, also preiswerte, kurzlebige, meist qualitativ minderwertige Einrichtungsgegenstände. Ich lasse mich häufig auf Social Media von Inhalten rund um das Thema Einrichtung inspirieren. Sofern man von Inspiration sprechen kann – eigentlich beeinflussen mich die schönen Fotos von Wohnzimmern, Bädern und Küchen und verleiten zum Kauf. Wie geht es Ihnen?

So schön eingereichtete Wohnung verleiten zum Kauf von günstigen Einrichtungsgegenständen.

Gemäss Gianluca Scheidegger, Konsumforscher am Gottlieb Duttweiler Institut, begünstigen mehrere Faktoren das Kaufverhalten bei Fast Interior. Einer davon ist – wie oben beschrieben – Social Media. Zudem ist der Kauf dieser Einrichtungsartikel sehr einfach. Man bestellt online, lässt an die Haustür liefern und kann unkompliziert zurückschicken. Die Preise sind fast unschlagbar tief. Zudem können sich viele Haushalte nachhaltige und lokale Produkte gar nicht leisten. «Ein in der Schweiz produziertes Massivholzregal für 4500 Franken liegt für viele nicht drin», sagt Scheidegger. Dazu kommt, dass Fast-Interior-Produkte meist eine schlechte Qualität aufweisen. Das wirkt sich negativ auf ihre Lebenszeit aus und rasch kaputt bedeutet einen raschen Neukauf, die Reparatur lohnt sich nicht. Schliesslich fördert auch die sogenannte Entmaterialisierung Fast Interior. Früher waren Regale voll mit Büchern, Schallplatten, Fotos. Das ist nun alles digital verfügbar. «Entsprechend haben Menschen das Bedürfnis, diese Leere mit Dekorationsartikeln zu füllen», so Scheidegger.

«Ein Teil der Abholzung der Wälder geht auf den Überkonsum durch Fast Interior zurück.»

Gianluca Scheidegger, Konsumforscher am Gottlieb Duttweiler Institut

Abfälle haben sich mehr als verdoppelt

Auf den ersten Blick ist der Trend zu mehr Fast Interior in der Statistik nicht ersichtlich. Der Grund: Die Haushaltsausgaben der Schweizer:innen für Wohnungseinrichtung und Haushaltsführung nehmen gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) seit 2006 ab. So lagen diese vor 17 Jahren bei 3,1 Prozent des Bruttoeinkommens, 2020 waren es noch 2,1 Prozent. Auf den zweiten Blick jedoch machen diese Zahlen Sinn. Gianluca Scheidegger erklärt: «Die Haushaltsausgaben sinken, gleichzeitig sind die Suchanfragen auf Google nach günstigen Möbeln und Dekoartikeln hoch und die Abfallmenge steigt.» Letzteres zeigt sich ebenfalls in den Zahlen des BfS. Die Menge von Siedlungsabfall hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt. Dieser berücksichtigt unter anderem auch Einrichtungsgegenstände. 1970 betrug der Siedlungsabfall pro Kopf in der Schweiz rund 300 Kilogramm, 2021 waren es knapp 700 Kilogramm. «Das heisst: mehr Einrichtungsgegenstände zu günstigeren Preisen gleich Fast Interior.»

Die meisten Möbel auf Müllhalden wurden erst in den letzten 10 bis 15 Jahren hergestellt.

Minderwertige Materialien belasten Umwelt

Man kann sich vorstellen, dass der Kauf von schnelllebigen Produkten und die grossen Abfallberge der Umwelt schaden. Ähnliches ist bereits aus dem Bereich Fast Fashion bekannt, also besonders günstige, trendige und ebenfalls schnelllebige Mode. Aufgrund der mangelhaften Qualität der Produkte können diese meist nicht recycelt werden. Deshalb wird nach ihrer Entsorgung einfach neu gekauft. Das belastet unsere Ressourcen. «So geht ein Teil der Abholzung der Wälder auf den Überkonsum durch Fast Interior zurück. Zudem belasten die minderwertigen Materialien der Produkte die Umwelt stärker als natürliche Stoffe. So werden in Spanplatten teilweise Bindemittel verwendet, die umweltschädlich sind», sagt Gianluca Scheidegger. Weiter erklärt der Wirtschaftswissenschaftler, dass laut Nachhaltigkeitsexpert:innen die meisten Möbel auf Müllhalden erst in den letzten 10 bis 15 Jahren hergestellt wurden.

In Spanplatten werden auch umweltschädliche Bindemittel verwendet.
Für Fast Interior werden teilweise Wälder abgeholzt.

Hinterfragen, warten, tauschen

Es liegt auf der Hand, dass wir Menschen unser Verhalten ändern müssen. Folgende Tipps helfen, nicht gleich jedem Schnäppchen zu verfallen, und sei es noch so verlockend:

  • Hinterfragen Sie den Kauf: Brauche ich diesen Artikel wirklich? Warum will ich diesen Artikel kaufen? Wird mir der Artikel auch noch in ein paar Jahren gefallen?
  • Nicht nur kaufen, weil es einem gefällt: Überlegen Sie sich, ob der Artikel in Ihr Zuhause passt. «Sonst läuft man Gefahr, dass man nach dem Kauf eines neuen Gegenstands die gesamte Einrichtung umstellen möchte», sagt Scheidegger.
  • Tauschen Sie Ihre Möbel mit Familie, Freunden und Nachbar:innen.
  • Mieten Sie, zum Beispiel bei Möbel Zürich und Pabio.
  • Sie haben hochwertige Möbel, die Sie nicht mehr brauchen? Spenden Sie diese an Brockis.
Wieso nicht mal einen Flohmarkt in der Nachbarschaft organisieren und Gegenstände tauschen?

Wir alle können also dazu beitragen, nachhaltiger mit Einrichtungsgegenständen umzugehen. Auch die Politik ist dabei, Leitplanken für mehr Kreislaufwirtschaft zu setzen. Das Ziel ist, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen. So sollen laut einer neuen Verordnung in der Europäischen Union künftig nur noch langlebige Produkte zugelassen werden, die entsprechend reparierbar, wiederverwendbar und recycelbar sind. Ferner sollen die Verbraucher:innen gestärkt werden: Sie sollen besser über die Herkunft und Rezyklierbarkeit von Produkten informiert sein. «Wir können davon ausgehen, dass auch die Schweiz sich an dieser Verordnung orientieren wird», sagt Scheidegger.

Ein Bewusstsein entwickeln

Zurück in unsere Wohnungen: Wie viele Fast-Interior-Produkte haben Sie bei sich gezählt? Ich habe allein im Wohnzimmer elf Stück – vom Couchtisch über Kissen bis zum Stuhl. Da ist also noch Verbesserungspotenzial vorhanden. Aber ich besitze auch Second Hand: Der Teppich und zwei Dekoartikel sind von meiner Mutter. Und investiert habe ich auch: in zwei Regale, die bis an mein Lebensende halten werden. Vielleicht macht es auch die Mischung aus? Auf jeden Fall ist es wichtig, dass das Bewusstsein für dieses Thema da ist. Das allein regt zum Nachdenken an, und schliesslich verändert das vielleicht auch unser Verhalten.

Fotografie
Gottlieb Duttweiler Institut (Sandra Blaser), Shutterstock

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Federer-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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