Zusammensein und singen tut gut
Der Ottochor bringt Menschen zusammen – mit Liedern, Engagement und Freude am gemeinsamen Gestalten.
Am Anfang dieser Geschichte steht Alois Alt. Alois wohnt in der Siedlung Ottostrasse und will singen. Deshalb spricht er 2015 seinen Nachbarn Roger Greipl an. Er sei doch Musiker, dann könne er doch auch einen Chor leiten. 2015 wird nichts aus der Idee, aber ein Jahr später: Der Ottochor ist geboren und feiert gleich gross seine Feuertaufe am Fest zum 100-jährigen Jubiläum der ABZ. Damals standen 25 Leute auf der Bühne. 6 bis 86 Jahre alt, begleitet von Roger Greipl mit der Ukulele, sangen sie zwei- bis vierstimmig ihre Lieder.
«Ich bin Musiker, spiele Saxophon und hatte somit keine Erfahrung mit dem Leiten eines Chors. Das habe ich mir vorzu angeeignet», erzählt Roger Greipl. «Ich lasse mich gerne auf neue Sachen ein, deshalb habe ich damals zugesagt.»
Vom Chor zur Theatergruppe
Nach 2016 ging die Anzahl Mitglieder im Ottochor zurück – bis Roger Greipl auf das 2019 erschienene Buch vom Räuber Hotzenplotz «Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete» stiess. Der Ottochor entwickelte sich zur Theatergruppe und das Interesse der ABZ-Bewohner:innen zum Mitwirken stieg wieder. 20 Personen waren am Theaterstück involviert, das Musik, Gesang, Tanz, Puppentheater und einen Trickfilm vereinte. Die beteiligten Kinder und Erwachsenen bastelten zudem Requisiten und Kulissen und nähten die Kostüme. Das Engagement wurde belohnt mit einem Auftritt im Kulturlokal Helsinki, am Josefwiesen-Fest und im Gemeinschaftsraum der Siedlung Ottostrasse. Mehrere Hundert Personen begeisterte die Musikgruppe mit ihrer Interpretation des Räuber Hotzenplotz. Danach wurde es ruhig um den Ottochor.
«Der Chor fühlt sich auch als eine Art Pièce de Résistance an in diesen weltpolitisch ungemütlichen Zeiten.»
Roger Greipl, ABZ-Bewohner und Co-Leiter des Ottochors
Ein vielseitiges Repertoire
Seit dem Ende der Pandemie ist der Ottochor wieder aktiv – und das auf Wunsch der Bewohner:innen. «Der Chor ist am Wachsen. Aktuell sind wir 20 Sänger:innen, alles ABZ-Bewohner:innen im Alter von 3 bis 70 Jahren», sagt Roger Greipl. Albert ist der jüngste. «Das Einsingen findet er langweilig, dafür singen wir mit ihm ‹Bravo Hugo› von Stärneföifi. Das ist unser Ritual. Danach ist für ihn bald Zeit, nach Hause zu gehen.» Für die anderen geht die Probe weiter. Sie üben alle drei Wochen und meist auf einen Auftritt hin. Anfang 2025 etwa studierten sie den «Sugus-Jodel» ein – und sind somit etwas politischer geworden. Sie zeigten mit ihrem Auftritt ihre Unterstützung für die Bewohner:innen der Sugus-Häuser im Kreis 5, die sich gegen ihre Leerkündigung wehren. Neben dem Jodel gibt’s zum Beispiel auch Jazz auf Berndeutsch oder Popsongs. Und das Chriesi-Lied gehört zum Chor wie der grüne Innenhof zur Siedlung Ottostrasse. «Dieses Lied ist zu unserer Chorhymne geworden.»
Ein Zeichen für mehr Solidarität
All die Jahre Ottochor hat Roger Greipl nicht allein gestemmt. «Ich bin rasch an meine Grenzen gekommen», erzählt er. Deshalb ist er glücklich, die Chorleitung seit Anfang 2025 mit Musikerin Sophie Aeberli zu teilen. «Sie hat dem Chor neuen Schub und Professionalität gegeben.» So hat sie etwa den Sugus-Jodel komponiert. Alois Alt ist auch immer noch dabei. Dank seiner Idee und dem Engagement von Roger Greipl und Sophie Aeberli setzt der Ottochor ein kleines Zeichen für mehr Solidarität in unserer Gesellschaft. «Er fühlt sich auch als eine Art Pièce de Résistance an in diesen weltpolitisch ungemütlichen Zeiten», sagt Greipl. Denn: Zusammensein und singen tut gut.
Fotografie
Tres Camenzind