15. Februar 2021 Ingrid Diener

Neue Ideen fürs Zusammenleben

Innovation und Forschung – darauf setzt die Genossenschaft mehr als wohnen. Von ihren Ideen soll die ganze Branche profitieren. Auch die ABZ hat sie sich bereits zunutze gemacht.

«Die Tätigkeit von mehr als wohnen hat eine grosse Bedeutung für unsere ganze Branche», sagt Nathanea Elte, ABZ-Präsidentin. Mit ihrer erneuten Wahl in den Vorstand von mehr als wohnen im vergangenen November vertritt Elte die ABZ weitere drei Jahre in einer ganz besonderen Baugenossenschaft – einer Baugenossenschaft, die sich der Innovation und dem Wissenstransfer verschrieben hat.

Das Hunziker-Areal in Zürich Nord ist die erste Siedlung von mehr als wohnen.

«Die Tätigkeit von mehr als wohnen hat eine grosse Bedeutung für unsere ganze Branche.»

Nathanea Elte, ABZ-Präsidentin und Vorstandsmitglied mehr als wohnen

Erfahrungen mit Clusterwohnungen

Mehr als wohnen versteht sich als Innovations- und Lernplattform für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Das Ziel ist, ihre Erkenntnisse aus der Forschung der gesamten Branche zur Verfügung zu stellen. «mehr als wohnen hat die Möglichkeit und den Ehrgeiz, neues auszuprobieren», sagt Elte. «Dazu gehören beispielsweise neue Wohnkonzepte und neue Wege bei der ökologischen Nachhaltigkeit.» Beides ist im ersten Bauprojekt von 2015, dem Hunziker-Areal in Zürich Nord, realisiert worden. So ist es eines der ersten Bauprojekte mit einer grossen Anzahl von Clusterwohnungen. Fünf bis sechs Wohneinheiten mit eigener Nasszelle, Teeküche und kleinem Balkon formen zusammen mit gemeinschaftlichen Räumen und einer grossen Küche eine solche Clusterwohnung. Sieben bis zwölf Personen leben hier in einer Mischung aus gemeinschaftlichem Miteinander und privater Zurückgezogenheit. «In den vergangenen Jahren konnten wir nun Erfahrungen zu den Clusterwohnungen sammeln – etwa in Vermietung und Betrieb», so Elte.

Die Clusterwohnungen im Hunziker-Areal bestehen aus fünf bis sechs Wohneinheiten.

Der Vereinsamung entgegenwirken

Und diese Erfahrung liess mehr als wohnen in ihr zweites Bauprojekt einfliessen, das zurzeit in Winterthur entsteht. Im Hobelwerk werden einerseits die Clusterwohnungen weiterentwickelt und andererseits Micro-Co-Living-Einheiten geplant. Bei Letzterem wohnen die Menschen in kleinen 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen mit eigener Kochnische. Über einen Laubengang erreichen sie einen gemeinschaftlich genutzten Raum, der sich über die drei Geschosse erstreckt, auf denen sich die Kleinwohnungen befinden. «Der Individualität wird hier mehr Rechnung getragen als bei den Clusterwohnungen», erklärt Elte. Denn: Die Bewohnerinnen und Bewohner der Clusterwohnungen bilden einen verbindlichen Zusammenschluss in Form eines Vereins. Beim Micro-Co-Living-Konzept handelt sich hingegen um ein unverbindlicheres Angebot von Gemeinschaft ohne die Gründung eines Verbunds, trotzdem wirkt es gegen Vereinsamung. Und der Flächenbedarf pro Kopf ist wie bei den Clusterwohnungen klein, was in Anbetracht der nötigen Verdichtung ein zusätzlicher positiver Aspekt ist.

Das Hobelwerk in Winterthur, die zweite Siedlung von mehr als wohnen, befindet sich zurzeit im Bau.

«Auch die ABZ ist innovativ»

Die Clusterwohnungen im Hunziker-Areal sind immer wieder Forschungsgegenstand von Studien: Aktuell beleuchtet ein Forschungsprojekt beispielsweise Clusterwohnungen in verschiedenen Städten als besondere Innovation des gemeinschaftlichen Wohnens. Ausserdem dient das Hunziker-Areal als Reallabor für die Untersuchung von nachhaltigen Lebensweisen. Durch solche Studien kann mehr als wohnen die Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Auch die ABZ hat bereits davon profitiert: Wir zogen mehr als wohnen etwa zur Klärung der Frage nach Clusterwohnungen in der Siedlung Glattpark bei. Ein gemeinsamer Workshop machte klar, dass der Bedarf nach dieser Wohnform in Zürich Nord durch das Hunziker-Areal gedeckt ist. «Der Gedanke, im Glattpark Clusterwohnungen zu bauen, zeigt, dass auch die ABZ durchaus innovativ unterwegs ist», sagt Nathanea Elte. «Wir prüfen neue Lösungen immer wieder, sei es beim Wohnen oder in der Nachhaltigkeit. Und das ist wichtig.»

So ist die ABZ zum Beispiel Vorreiterin mit der Einführung der Hausgemeinschaft 55+, die sich mittlerweile in vier Siedlungen etabliert haben, der Gemeinschaft in der Vertikalen, die erstmals auf dem Koch-Areal realisiert wird, und mit der digitalen Plattform WINK, die unsere Bewohnerschaft unter anderem zum Austausch nutzt.

Die Siedlung Ruggächern ist eine von vier ABZ-Siedlungen mit einer Hausgemeinschaft 55+.

Ein Geben und Nehmen

Auch die ABZ hat also einige Neuerungen eingeführt und baut auf einem grossen Erfahrungsschatz. Davon profitiert umgekehrt mehr als wohnen. Denn mehr als wohnen entwickelt sich zurzeit vom Hunziker-Areal hin zu einer Genossenschaft mit mehreren Siedlungen. «Da kommen entsprechend Fragen nach der Organisation auf», sagt Nathanea Elte. Wie werden die Siedlungen organisiert? Wer leitet sie? Was wird auf Genossenschaftseben, was auf Siedlungsebene entschieden? «Das ist eine wichtige Phase für diese junge Genossenschaft. Wie bei den Bauprojekten kann ich hier Know-how aus der ABZ einbringen», sagt Elte. Schliesslich entwickelt sich die ABZ seit über 100 Jahren stets weiter. Und genau deshalb ist sowohl die Arbeit von mehr als wohnen als auch diejenige von anderen Wohnbaugenossenschaften so wertvoll: Sie können voneinander lernen.

Fotografie
Matthias Bader, Ursula Meisser, Reto Schlatter

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Federer-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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