25. August 2020 Lena Tovar

Ruhe da oben! Was tun bei ringhörigen Wohnungen

Lautes Stampfen durch die Wohnung, Telefongespräche auf dem Balkon oder Musik mitten in der Nacht: Lärm ist in der Nachbarschaft Konfliktgrund Nummer eins. Ringhörige Wohnungen können das Problem zusätzlich verstärken.

Während man beim ausgelassenen Geburtstagsfest schon mal ein Auge zudrückt, kann permanenter Alltagslärm von Nachbarinnen und Nachbarn zur Belastung werden. «Von den rund 50 Konflikten, die wir 2019 bearbeitet haben, entstanden deutlich mehr als die Hälfte aufgrund von Lärm», fasst Katharina Trost von der Mieterberatung der ABZ zusammen. «Durch das vermehrte Arbeiten im Homeoffice nahmen die Lärmkonflikte weiter zu.»

Lärm ist nicht gleich Lärm

Schlimm sei nicht die Lautstärke, berichtet die Sozialarbeiterin, vielmehr sei es anhaltender Lärm. Grundsätzlich muss zwischen zumutbaren und «unzumutbaren Lärmemissionen», wie es in der ABZ Hausordnung heisst, unterschieden werden. Als zumutbar werden beispielsweise Kinderlärm, gewisse Musikinstrumente und Alltagshandlungen wie Kochen oder die WC-Spülung definiert. Als unzumutbar gilt die Störung der Nachtruhe. Alles dazwischen ist Grauzone. «Letztlich kommt es immer auf gegenseitige Toleranz und Rücksichtnahme der Mieterinnen und Mieter an», erklärt Katharina Trost. Denn abgesehen von klaren Grenzüberschreitungen wie lauter Musik mitten in der Nacht wird Lärm stark subjektiv empfunden: Was den einen stört, ist dem anderen egal. Und so entstehen immer wieder Konflikte.

«Mehr als die Hälfte der Konflikte entstehen aufgrund von Lärm.»

Katharina Trost von der ABZ-Mieterberatung

Wenn der Haussegen schief hängt

Das hat auch Boris Surber erlebt (siehe Interview). Der 62-jährige lebt in einer ringhörigen ABZ-Wohnung und hielt den permanenten Lärm irgendwann nicht mehr aus. Er suchte Rat bei der Mieterberatung. Diese empfiehlt in solchen Fällen immer zuerst ein Gespräch zwischen den Parteien. Häufig steckt hinter dem vermeintlichen Lärm keine böse Absicht; manche sind gar überrascht, dass ihre Handlungen stören. Katharina Trost rät auch, mit der Nachbarschaft Kontakt aufzunehmen: Fühlt sich noch jemand gestört? Gab es bereits Gesprächsversuche?

Die Mieterberatung bietet auch sogenannte Lärmprotokolle. Diese halten Art, Dauer und Häufigkeit des Lärms fest und helfen, ein genaueres Bild der Situation zu erhalten. Wenn der Konflikt mit Hilfe der Mieterberatung nicht gelöst werden kann, bespricht sie sich mit der zuständigen Person im Vermietungsteam. Diese kann Abmahnungen aussprechen und im Extremfall ist der Ausschluss aus der Genossenschaft denkbar. «Das habe ich aber nur aufgrund des Lärmverhaltens noch nie erlebt», fügt Katharina Trost an.

Boris Surber wohnt in einer ringhörigen Wohnung. Lesen Sie mehr über seine Erfahrungen im Interview.

Wie Ringhörigkeit entsteht

Der Grad der Ringhörigkeit hängt vor allem mit dem Baujahr zusammen. In den 1920/30er-Jahren wurden vor allem Holzbalkendecken eingesetzt, deren Hohlräume mit Schlacke gefüllt wurden. Diese Konstruktion kann Luft- und Trittschall nur mässig abfedern. Ein paar Jahrzehnte später kam vermehrt Beton zum Einsatz, allerdings noch zu dünn, um die Ringhörigkeit vollends zu bändigen.

«Seit Beginn der 80er-Jahre werden die Betondecken stetig dicker und erreichen heute Stärken von 25 Zentimetern und mehr. Darauf kommen noch Trittschalldämmung, Unterlagsboden und abschliessend der Nutzbelag wie Parkett», weiss Martin Grüninger, Leiter Bau und Entwicklung bei der ABZ. «Neubauten sind damit praktisch nicht mehr ringhörig.» Durch ihre Ersatzneubauten und Sanierungen hat die ABZ den Anteil der mittel bis stark ringhörigen Wohnungen in den letzten 20 Jahren auf 15 Prozent reduziert. Und damit nicht genug: Bei Neubauten orientiert sich die ABZ an den erhöhten Anforderungen an den Schallschutz nach SIA 181, nicht am gesetzlichen Mindeststandard.

«Bis 2040 werden schätzungsweise zwei Drittel unserer Wohnungen nicht bis leicht ringhörig sein.»

Martin Grüninger, Leiter Bau und Entwicklung

Gute Aussichten für die Ohren

Abhilfe bei Ringhörigkeit können ein paar Tipps schaffen: Keine Schuhe mit hohen Absätzen in der Wohnung tragen, Filzgleiter an Stuhlbeinen anbringen, Türstopper gegen unkontrolliertes Zuknallen nutzen oder Teppiche und schwere Vorhänge als Lärmschlucker einsetzen. Falls das nichts nützt, können Ohropax helfen. Von speziellem Akustikputz rät Martin Grüninger eher ab: zu teuer für zu wenig Wirkung.

Vielversprechend ist hingegen die Prognose der Abteilung Bau: Bis 2040 werden schätzungsweise zwei Drittel aller Wohnungen der ABZ nicht oder nur noch leicht ringhörig sein, lediglich sechs Prozent mittel bis stark ringhörig. Dies dürfte sich auch positiv auf das Zusammenleben in der Nachbarschaft auswirken. Bis dahin gilt: Ohren zu und durch!

Fotografie
Reto Schlatter, Lena Tovar

Lena Tovar

Mag Menschen, Magazine und Sommertage in der Badi. Reist am liebsten mit dem Zufall. Ist für die ABZ als Freelancerin unterwegs.

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