18. August 2020 Ingrid Diener

«Gratis zum Mitnehmen»

Das verlotterte Sofa am Strassenrand ist «Gratis zum Mitnehmen». Aber: Niemand will solche Möbel. Nur ein Beispiel von unkorrekter Abfallentsorgung, wie sie auch in der ABZ passiert.

«Es ist euer Zuhause und die Umwelt geht alle etwas an. Sorgt euch darum», sagt Peter Iten, Vermietung und Mitgliederdienste der ABZ, und spricht damit direkt zu den ABZ-Bewohnerinnen und -Bewohnern. Wie viele Mitarbeitende ist er regelmässig mit liegen gelassenem Abfall und illegaler Entsorgung konfrontiert. Das ärgert, denn die Genossenschaft wünscht sich lebenswerte, saubere Siedlungen, wo die Menschen sich wohl fühlen. Dafür müssen sich aber Bewohnerinnen und Bewohner auch entsprechend verhalten.

Bequemlichkeit oder Unwissenheit?

Liegen gelassener Abfall ist ein gesellschaftliches Problem und tritt nicht nur in ABZ-Siedlungen auf. Die Menschen sind viel unterwegs, verpflegen sich ausser Haus, kaufen Essen in Einwegverpackungen. Die Umwelt scheint manche nur wenig zu kümmern. Schnell ist der Zigarettenstummel auf dem Trottoir ausgedrückt, der Kaugummiwickel auf den Boden geworfen und die Alubüchse weggekickt.

In den ABZ-Siedlungen zeigen sich aber auch andere Muster: Die öffentlichen Abfalleimer werden für privaten Abfall wie Windeln, Waschmittelkartons und Haarlackdosen genutzt. Ist der Eimer voll, wird der Abfall danebengestellt – auch volle Kehrichtsäcke. Im Grüncontainer landen Fremdstoffe wie Plastik und Karton, Zeitungen und anderer Abfall werden wahllos bei der Entsorgungsstelle deponiert. Und das nicht mehr gebrauchte Sofa wird an den Strassenrand gestellt: «Gratis zum Mitnehmen». Die Gründe sind nur zu vermuten: Ignoranz, Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Unwissenheit?

Initiativen aus der Bewohnerschaft

Dieses Verhalten nehmen andere Bewohnerinnen und Bewohner aus der Siedlung wahr und melden es der ABZ-Geschäftsstelle. «Immer wieder beklagen sich die Leute bei uns über falsch entsorgten Müll», so Selena Munari, Vermietung und Mitgliederdienste der ABZ. Die ABZ-Geschäftsstelle hat schon vieles versucht: Aushänge, Briefe, Information vor Ort. Die Massnahmen wirken aber kaum – so mussten schon in einigen Siedlungen die Grüncontainer entfernt werden, weil Entsorgung und Recycling Zürich ihren Inhalt mit all den Fremdstoffen nicht mehr verarbeiten kann. Munari glaubt: «Initiativen aus der Bewohnerschaft sind am effektivsten.»

«Initiativen aus der Bewohnerschaft sind am effektivsten.»

Selena Munari, Vermietung und Mitgliederdienste bei der ABZ

In der Siedlung Hönggerberg hat sich beispielsweise eine Bioabfallgruppe gebildet. «Aufgrund der vielen Fremdstoffe im Grünabfall wurden die Grüncontainer bei uns entfernt», sagt Bewohnerin Sibilla Delorenzi. Mit einem WINK-Beitrag hat die Siedlungskommission Nachbarinnen und Nachbarn um Unterstützung gebeten. Gemeinsam suchen sie nun nach Lösungen. «Wir möchten nicht einfach wieder einen Grüncontainer hinstellen. Die Menschen sollen verstehen, warum wir diesen nicht mehr haben», sagt sie. Deshalb zieht die Gruppe einen langsameren Prozess vor, der die Bewohnerschaft miteinbezieht und Zeit zum Aufklären lässt. Welche Massnahmen ergriffen werden, ist noch offen. Zur Debatte stehen ein Schloss am Container, Öffnungszeiten für die Entsorgung, Aushänge und Aufklärungsspaziergänge durch die Siedlung. Die Engagierten sind zudem in Kontakt mit Siedlungskommission, Vermietung und Gärtner. «Die ABZ-Mitarbeitenden zeigen uns, dass sie unser Vorhaben unterstützen», sagt Delorenzi.

«Wir möchten nicht einfach wieder einen Grüncontainer hinstellen. Die Menschen sollen verstehen, warum wir diesen nicht mehr haben.»

Sibilla Delorenzi, Bewohnerin

Betreutes Entsorgen im Glattpark

Einen Schritt weiter ist die Siedlung Glattpark. Die Bewohnerinnen Askim Eroglu und Patrizia García haben eine Kompostgruppe gebildet und sich mithilfe der ABZ-Siedlungs- und Quartierarbeit mit anderen Engagierten zusammen geschlossen. «Wir trafen uns zu einem Ideenaustausch und kamen zum Schluss, dass eine Betreuung beim Entsorgen wichtig ist», sagt Eroglu. «Zudem können wir so den Leuten vor Ort erklären, was richtig und falsch ist.» So entstand im Mai die Aktion «Betreutes Entsorgen»: Die Container für Kompostabfälle sind dreimal in der Woche für jeweils 15 Minuten geöffnet – ausserhalb dieser Zeiten ist die Stelle mit einem Schloss abgesperrt. Zwei Personen aus der Kompostgruppe stellen die korrekte Entsorgung sicher. Bisher nimmt rund ein Fünftel der Haushalte das Angebot wahr. Eroglu: «Ein grosser Dank an alle, die das betreute Entsorgen ermöglichen – und das bei jeder Witterung: Alexander Maric, Alexandra Benz, Andreas Arnheiter, Karin Lehmann, Matthias Brunner, Pascal Kaufmann und Florian Frey.»

«Wir trafen uns zu einem Ideenaustausch und kamen zum Schluss, dass eine Betreuung beim Entsorgen wichtig ist.»

Askim Eroglu, Bewohnerin

Immer «Polizist spielen» ist keine Option

Auch die Siedlung Toblerstrasse versucht, die Bewohnerschaft aufzuklären bezüglich Bioabfall. Die Siedlungskommission hat dazu eine Grüncontainer-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und stellt ein Informationsblatt auf ihrer Website zur Verfügung. ABZ-Aushänge bei den Containern weisen auf eine korrekte Entsorgung hin. Zudem packen Bewohnerinnen und Bewohner der Arbeitsgruppe mit an, indem sie etwa die Fremdkörper aus dem Kompost fischen und das persönliche Gespräch mit den Menschen suchen. «Die Situation hat sich gebessert», sagt Bewohner Lionel Eaton. «So konnten wir den Grüncontainer behalten.»

«Weisen wir Personen auf die unkorrekte Entsorgung hin, kann man so manchen bösen Blick ernten.»

Lionel Eaton, Bewohner

Die Gespräche seien aber manchmal schwierig: «Weisen wir Personen auf die unkorrekte Entsorgung hin, kann man so manchen bösen Blick ernten. Schliesslich ist es unangenehm, wenn die eigenen Schwächen aufgedeckt werden.» Neben dem Bioabfall sind herumliegender Müll und liegengelassene Kinderspielzeuge ein Thema. Die Siedlungskommission kann und will aber nicht immer «Polizist spielen». Deshalb hat sie nun die Siedlungs- und Quartierarbeit der ABZ, den Hauswart und den Gärtner um Hilfe gebeten. Mit ihrer Unterstützung soll die Siedlung ein Ort bleiben, mit dem sorgsam umgegangen wird und wo sich alle wohl fühlen.

Auch die ABZ-Mitarbeitenden raten, Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Bedeutung von richtigem Entsorgen ist nicht jeder und jedem klar. Deshalb lohnt es sich, miteinander zu sprechen und klarzumachen, dass alle gerne in einer sauberen Siedlung wohnen und wir damit auch der Umwelt etwas Gutes tun.

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Federer-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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