8. Februar 2024 Lena Tovar

Velos im Überfluss

In den innerstädtischen ABZ-Siedlungen sammeln sich rasch viele ungenutzte Velos an, die Abstellräume oder Unterstände versperren. Deshalb führt die ABZ von Zeit zu Zeit Veloräumungen durch. Doch es könnte auch anders gehen.

Dort, wo ein Velo steht, stehen schnell zwei. Dann drei. Dann vier. Und plötzlich ist der gesamte Unterstand voll. Eigentlich kein Problem, wenn alle diese Velos regelmässig genutzt und im Fall einer anstehenden Reinigung der Flächen ordnungsgemäss verstaut würden. Doch die Realität sieht anders aus: Mieter:innen ziehen weg und lassen ihr Velo im Unterstand zurück; Bewohnende benötigen das zu klein gewordene Trotti nicht mehr und stellen es im Veloraum ab.

Im vergangenen Jahr hat die ABZ mehrere Veloräumungen durchgeführt. In der Siedlung Sihlfeld wurden 88 ungenutzte Velos eingesammelt, die Siedlung Kanzlei kam auf rund 50 Velos. In der Siedlung Ottostrasse mussten 70 Velos geräumt werden – bei 93 Wohnungen macht das fast ein Velo pro Wohnung. Mirco Huber, Teamleiter Aussenraum bei der ABZ, war bei vielen Veloräumungen dabei: «Das ist das hässliche Gesicht unserer Überflussgesellschaft. Noch dazu ist es ein enormer Aufwand für uns. Zeit, die wir besser anders investieren können.»

In der ABZ-Siedlung Sihlfeld mussten im vergangenen Jahr 88 Velos geräumt werden.

Das passiert bei einer Veloräumung

Im ersten Schritt werden alle Haushalte einer Siedlung sechs bis acht Wochen im Voraus per Brief über die bevorstehende Veloräumung informiert. Darin werden sie gebeten, Velos, Trottis, Kinderwagen und andere Gegenstände in das eigene Kellerabteil oder die Wohnung zu nehmen, damit gemeinschaftlich genutzte Flächen gereinigt werden können.

Zwei Wochen vor der Veloräumung macht ein Aushang im Treppenhaus erneut darauf aufmerksam. Nun ist es höchste Zeit, die Velos in die eigene Mietsache zu stellen. Befinden sich am Tag der Veloräumung immer noch Velos im Unterstand oder Veloraum, müssen diese von Hauswart:innen und Gärtner:innen geräumt werden. Dafür sind rund zwei bis vier Mitarbeitende notwendig.

Die Velos werden für drei Monate in der Siedlung gelagert. In dieser Zeit haben Bewohnende die Chance, ein versehentlich verräumtes Velo wieder abzuholen. Nach Ablauf der drei Monate werden die Velos für eine erneute Nutzung durch die Organisation Velafrica nach Afrika versendet.

Schaden vermeiden – von beiden Seiten

Häufig kommt der Wunsch nach einer Veloräumung aus den Siedlungen selbst. Meistens dann, wenn die Flächen zu voll werden und Abstellmöglichkeiten für Velos fehlen; oder wenn zu viel Unordnung in der Siedlung herrscht. Das ist auch der ABZ-Geschäftsstelle ein wichtiges Anliegen: Sie kommt mit den Veloräumungen ihrem Anspruch nach, den Bewohnenden eine gepflegte Siedlung bereitzustellen. Daher geht eine Veloräumung Hand in Hand mit der Reinigung von gemeinschaftlich genutzten Flächen wie Veloräumen, Garagen und Stellplätzen.

Die Velos werden für drei Monate gelagert, bevor sie für eine weitere Nutzung an Velafrica übergeben werden.

Um Schaden an der Privatsache der Bewohnenden zu vermeiden, bemühen sich die Mitarbeitenden, Schlösser nicht aufzubrechen. Dies ist aber nicht immer möglich. Das führt zu Frust bei den betroffenen Mieter:innen – aber auch im Team der Gärtner:innen und Hauswart:innen. Für sie ist die Unaufmerksamkeit der Mieter:innen mit viel Aufwand verbunden: Meldungen sichten, Termine vereinbaren, Velos in der Masse identifizieren, herausfischen, alles wieder zusammenketten, Formulare ausfüllen. Daher appelliert die ABZ-Geschäftsstelle an die Bewohnenden, Mitteilungen über bevorstehende Veloräumungen ernst zu nehmen und ihre Velos zum entsprechenden Zeitpunkt privat zu verstauen.

«Schöner wäre es, wenn wir hier in der Schweiz nicht so arglos mit Gegenständen umgehen und mehr Verantwortung übernehmen würden.»

Mirco Huber, Teamleiter Aussenraum bei der ABZ

Es geht auch anders

Damit Velos gar nicht erst geräumt werden müssen und Ordnung in den Siedlungen bleibt, hat Mirco Huber noch ein paar Tipps parat: Nicht mehr gebrauchte Velos, Kinderwagen und Trottis können in Brockenhäusern abgegeben oder auf Velobörsen, Flohmärkten und Online-Marktplätzen angeboten werden. Bei kaputten Velos und Gegenständen unterstützen die ABZ-Mitarbeitenden auf Anfrage dabei, eine Entrümpelungsaktion in der Siedlung aufzugleisen.

Es ist auch ratsam, sich in der Familie und in der Nachbarschaft – zum Beispiel via WINK – umzuhören, ob jemand ein Velo gebrauchen könnte. «Natürlich ist es eine gute Sache, dass die Velos nach der Räumung in Afrika weiter genutzt werden», meint Mirco Huber. «Aber noch schöner wäre es, wenn wir hier in der Schweiz nicht so arglos mit Gegenständen umgehen und mehr Verantwortung übernehmen würden.»

Fotografie
Tres Camenzind

Lena Tovar

Mag Menschen, Magazine und Sommertage in der Badi. Reist am liebsten mit dem Zufall. Ist für die ABZ als Freelancerin unterwegs.

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