30. März 2021 Ingrid Diener

«Von unten nach oben organisiert»

In der Siedlung Glattpark wurde im Herbst 2020 die erste Siedlungskommission gewählt. Ein Gespräch mit Michael Martin, einem der sieben frischgebackenen Mitglieder der Siedlungskommission.

Herr Martin, was war Ihre Motivation, Mitglied der Siedlungskommission zu werden?

Ich war in der Vergangenheit ABZ-Vorstandsmitglied und bin in mehreren Genossenschaften aktiv. Zudem habe ich die Entwicklung der Siedlung Glattpark von Anfang an verfolgt – die Siedlung liegt mir somit sehr am Herzen. Deshalb möchte ich mitgestalten. Und ich bin davon überzeugt, dass es wesentlich für eine Gesellschaft ist, dass sie sich von unten nach oben organisiert.

Was wollen Sie als Siko-Mitglied bewirken?

Aus meiner Sicht beschränken sich viel ABZ-Mitglieder nur aufs Wohnen. Aber in einer Genossenschaft zu leben, bedeutet für mich mehr als wohnen. Wir sollten mehr tun, als nur auf das klassische Wohnen Wert zu legen. Ich wünsche mir eine Gemeinschaft, die integriert und verschiedene Kulturen und Generationen an einem Ort miteinander verbindet. In entsprechende Projekte sollten wir vermehrt investieren. Damit sich schliesslich alle Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlen. Dazu gehört auch ein bewusster Umgang mit lokalen Ressourcen.

Die Siedlungskommission Glattpark trifft sich im grossen Gemeinschaftsraum der Siedlung.

Sie haben sechs Kolleginnen und Kollegen in der Siedlungskommission. Wie würden Sie Ihre Gruppe beschreiben?

Es ist eine sehr heterogene Gruppe – verschiedene Alter, Kulturen und Erfahrungshorizonte sind vertreten. Es ist spannend, zu sehen, wie wir alle unterschiedlich mit Themen umgehen und dass es uns mit Spass gelingt, kreativ zu handeln.

Wie haben Sie sich organisiert?

Wir treffen uns alle drei Wochen. Das ist viel, dafür sind unsere Sitzungen kurz und effizient. Da wir alle nebeneinander wohnen, laufen wir uns immer mal wieder über den Weg – da bleibt auch mal Zeit für ein kurzes Gespräch zwischendurch. Der Austausch findet also auch über unsere Treffen hinweg statt. Für die Zukunft erhoffe ich mir, dass die Siko doppelt so gross wird. So könnte für jede Rolle eine Stellvertretung bestimmt werden und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten wären auf mehreren Schultern verteilt – ein Muss in einer 24-Stunden-Gesellschaft.

«Die günstigste Lösung ist nicht immer die beste. Zentral ist die Nachhaltigkeit und das heisst eben auch, manchmal etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen.»

Michael Martin, Siko-Mitglied Glattpark

Wo sehen Sie Herausforderungen?

Nicht in Konflikte zu geraten; also Spannungen zu orten, zu benennen und dafür Lösungen zu finden. Wir sind unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ideen. Deshalb ist eine offene Kommunikation zentral. Zudem wünsche ich mir, dass bei uns nicht stets alles «übers Fränkli» entschieden wird, sondern andere Wertsysteme neues Gewicht erhalten. Die günstigste Lösung ist nicht immer die beste. Zentral ist die Nachhaltigkeit und das heisst eben auch, manchmal etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Welche Gedanken haben Sie darüber hinaus?

Ich habe mir eben das Siko-Heft durchgesehen, es beschreibt die Aufgaben der Siedlungskommissionen. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, wo Platz für Informelles bleibt und das festgehalten ist. Wo gibt es für uns Freiräume, in denen wir nach eigenen Wünschen gestalten können? Ist das Siko-Heft mit seinen Vorgaben zur Mitwirkung in der Siedlung nicht ein Überregulieren? Welche Regeln sind wirklich nötig, damit das Zusammenleben in unserer Siedlung klappt? Vielleicht bräuchte es gar nicht so viele Vorgaben.

Was könnte sich mit weniger Vorgaben bessern?

Vorgaben sind immer Formulierungen aus einer gewissen Angst heraus. Wesentlicher erscheint mir aber eine positive, gestaltende Herangehensweise, die Freiräume und Chancen statt Risiken betont.

Fotografie
Tres Camenzind

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Federer-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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